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Bei den alle fünf Jahre stattfindenden Pfingsttreffen kamen tausende delegierte Mitglieder in einer bestimmten Stadt zusammen. Zuletzt zu Pfingsten 1989 in Berlin.

Machtvolles Bekenntnis

Mit alten Parolen und heißer Musik versucht die SED, ihre Staatsjugend auf Linie zu halten.












Erich Honecker entlässt im Mai 1989 auf dem Pfingsttreffen der Freien Deutschen Jugend eine Taube als Symbol des Friedens


Erich Honecker war sichtlich bewegt. Er lächelte und winkte, reckte die geballte Faust zum Gruß und stimmte vergnügt in den Chor der 750 000 ein: "Bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf!"
Mehr als vier Stunden stand der 76jährige Erich Honecker am Pfingstsonntag auf der hellblau ausgeschlagenen Ehrentribüne an der Ost-Berliner Karl-Marx-Allee und badete in den Treuebekundungen seiner Staatsjugend. Und die gab sich redlich Mühe, ihrem Staatsratsvorsitzenden und SED-Parteichef pflichtschuldig zu huldigen. "Es lebe die DDR", skandierten die artig im blauen Einheitshemd aufmarschierten FDJler und trugen aufmunternde Spruchbänder und Transparente vor sich her: "FDJler in den Wald, macht den Borkenkäfer kalt". Drei Tage lang zelebrierte die FDJ bei ihrem ersten nationalen Pfingsttreffen seit fünf Jahren ein fröhliches Fest für Hunderttausende Jugendliche, die aus der gesamten DDR in die Hauptstadt gereist waren. Brot und Spiele für alle, die für ein paar Tage ihre Alltagstristesse vergessen wollten. Wer mit Rock und Theater, Eisshows und Go-Cart-Rennen in Stimmung gebracht ist, so das schlichte Kalkül, muckt nicht auf und schmiedet keine Ausreisepläne. Selbst die alternative Szene wollte bei diesem Gemeinschaftserlebnis nicht fehlen: Als die "Skeptiker", eine der erfolgreichsten "anderen Bands" der DDR, am Sonntag Nachmittag in der Innenstadt rockten, war die Ost-Berliner Vorzeigeallee "Unter den Linden" übersät mit Punks, die Polizei schaute zu. Offiziell verkaufte die FDJ das dreitägige Spektakel als "machtvolles Bekenntnis der DDR-Jugend zu Frieden und Sozialismus" - gemäß dem Kampfauftrag der Partei an die Staatsjugend, dem ostdeutschen Nachwuchs endlich mehr "sozialistisches Vaterlandsbewußtsein" einzubläuen. Seit Monaten mußten sich Hunderttausende zu freiwilligen Diensten verpflichten. Jugendbrigaden aus dem Bezirk Potsdam sammelten Schrott, Trebbiner Jungbauern errichteten eine neue Gülle-Anlage, und ihre Kunnersdorfer Genossen von der LPG "Einigkeit" steigerten die Milchleistung je Kuh "um 480 auf 4215 Kilogramm". "Ihr alle", lobte FDJ-Chef Eberhard Aurich 300 000 Jugendliche bei der "Manifestation" zur Eröffnung des Treffens, "habt euch mit guten Leistungen im ,FDJ-Aufgebot DDR 40' das Mandat zum Pfingsttreffen erworben."
Die ritualisierten Lobeshymnen verschweigen, daß die Mitgliedschaft in der FDJ für viele Jugendliche ein notwendiges Übel ist. Rund 70 Prozent der DDR-Bürger von 14 bis 25 Jahren sind in dem staatlichen Jugendverband organisiert. Denn ohne ihn läuft nichts. Es gibt nicht ein größeres Rockkonzert, keinen Computerkurs und keine Disko ohne die Organisatoren der FDJ. Viel schlimmer: "Wer nicht reingeht, kriegt irgendwann Schwierigkeiten", sagt Thomas, 21, Student in Berlin, "in der Uni, im Betrieb oder in der Schule." Stück für Stück versuchen sich die DDR-Teenager aus der totalen Bevormundung dieser "Kampfreserve der Partei" zu befreien. "Von hundert Mitgliedern sind höchstens zwei Aktivisten", sagt Thomas. "Und die wollen auch nur Karriere machen." Die anderen wenden sich ab. Dies zeigte sich auch vor dem Pfingsttreffen. Nur mit Mühe brachte die FDJ alle Mandate an den Mann. Was als Auszeichnung verdienter Jugendlicher gedacht war, wurde schließlich wahllos verteilt. "Die Funktionäre schmissen wie wild mit den Mandaten um sich, nur um die loszuwerden", berichtet die 18jährige Sabine, Schülerin in Cottbus. Verschreckt durch Proteste und Absagen, hatte die Führung vor dem Treffen auch ihren Plan fallen gelassen, zum ersten Mal von jedem Teilnehmer 25 Mark Beitrag einzuziehen. Von solchen Schönheitsfehlern ließ sich die Partei- und Staatsführung bei den überdimensionierten Polit-Inszenierungen nicht beeindrucken. Mit brüchiger Stimme, aber offenbar unbelehrt durch den widerspenstigen DDR-Nachwuchs nervte Erich Honecker bei der "Manifestation" mit den seit 40 Jahren unveränderten Formeln ideologischer Vergewisserung. Die SED, "Partei der Neuerer, Partei der Jugend", lasse sich noch immer in ihrem ganzen Handeln "von der unsterblichen Lehre der großen deutschen Wissenschaftler Karl Marx und Friedrich Engels" leiten, verkündete der Vorsitzende. Trotzdem jubelten Honecker und seiner Rentnerband im Politbüro Hunderttausende Jugendlicher zu. Der 18jährige Thomas, Schlosserlehrling in Magdeburg, vermutete, die meisten seien sowieso nur nach Berlin gekommen, "um zu saufen und Frauen aufzureißen". So war's denn auch. Gleich nach den Treuebekundungen an Partei- und Staatsführung landeten die Transparente in den vorbereiteten Müll-Containern, schlüpften die Kids aus ihrer blauen Einheitskluft und zogen sich T-Shirts, Jeans und Lederjacken über. Sie wollten Spaß. Für die mehr als 2000 Veranstaltungen hatte die FDJ fast alle bekannten Künstler der Ost-Republik nach Berlin karren lassen. Dutzende Rockbands spielten auf Freilichtbühnen rund um den Alexanderplatz, Unter den Linden und auf den Freilichtbühnen am Stadtrand. Wo immer auf den Straßen Pop aus den Lautsprechern dröhnte, tanzte die DDR-Jugend.
Nur am Rande, in einigen Diskussionsforen mit Parteifunktionären, konnten die Jugendlichen ausdrücken, was sie wirklich bewegt. Kritisch, aber vorsichtig formulierend fragten sie nach Ausreisemöglichkeiten und Meinungsfreiheit, äußerten Besorgnis über die Mangelwirtschaft und forderten klare Perspektiven. Doch auch hier bekamen sie abgestandene Antworten: "Im Unterschied zur BRD", fertigte sie ein Chefredakteur des DDR-Fernsehens ab, "braucht bei uns keiner ein Horoskop, um Zukunft zu haben.        Du kriegst den Fünf-Jahres-Plan in die Hand und hast eine wissenschaftliche Perspektive." Keiner weiß, wie lange sich die DDR-Jugend noch mit dieser FDJ-Doppelstrategie aus neuer Musik und alten Sprüchen abspeisen läßt. Noch rebelliert diese Jugend nicht, aber sie ist kritisch und distanziert - eine Generation in Wartestellung. "Irgendwann", sagt der 15jährige Peter, Schüler in Berlin-Pankow, "muß sich doch was ändern."

Quelle: DER SPIEGEL vom 22.05.1989




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